Kiel

Nix zu melden – OB Kämpfer hält nichts von digitaler Selbstbestimmung

Gemeinsam mit den seinen Partnerstädten und dem Land könnte Kiel seine Abhängigkeit von übermächtigen IT-Konzernen verringern. OB Ulf Kämpfer scheint all das nicht zu interessieren. Es ist ihm nicht mal die Mühe wert mit den Partnerstädten auch nur darüber zu reden. Aus Faulheit ignoriert er damit sogar einen Beschluss der Ratsversammlung.

Die Standard IT der Verwaltung basiert in den Kommunen, den Ländern und beim Bund auf Microsoft Windows, MS Office sowie Outlook (ebenfalls von Microsoft). Mit dieser einseitigen Bindung an einen Hersteller hat sich die öffentliche Hand in eine extreme, strukturelle Abhängigkeit begeben. Anders als in anderen Bereichen – wie z. B. dem städtischen Fuhrpark – können Anbieter oder Modell nicht einfach so gewechselt werden. Schlimmer noch: Sobald Microsoft eine neue Version seiner Software anbietet und den Sicherheitssupport für seine alten Anwendungen einstellt, sind die Kunden gezwungen, auf die neue Software umzustellen. Für Microsoft gleicht diese Praxis einer Gelddruckmaschine. Der Konzern kann darüber zielsicher terminiert festlegen, wann die nächsten Milliarden in die Kasse fließen: Immer dann, wenn er hunderte Millionen seiner Kunden weltweit zum Umstieg auf sein neustes Produkt zwingt. So zuletzt geschehen in Kiel am 12.03.2019, als der Finanzausschuss gezwungen war 2,5 Millionen Euro für den Kauf von Windows 10 Lizenzen freizugeben [1]. Zudem überträgt Windows 10 Daten über das Nutzerverhalten an die Konzernzentrale von Microsoft in den USA, was uns die Kieler Verwaltung in ihrer Antwort auf eine kleinen Anfrage bestätigt hat [2].

Diese Abhängigkeit könnte durch eigene Entwicklungen auf Basis freier Open-Source-Software aufgelöst werden. Eine entsprechende Entwicklung kann auf Grundlage von zum Beispiel Linux oder FreeBSD/OpenBSD – die übrigens auch Grundlage von Mac OS sind – bei einem oder mehreren Mittelständlern der IT-Wirtschaft in Auftrag gegeben werden. Eine Stadt wie Kiel wäre damit allein zwar überfordert, im Verbund mit anderen Städten, dem Land oder dem Bund wäre eine solche Eigenentwicklung auf Grundlage freier Systeme allerdings durchaus finanzierbar. Es würde sogar umso günstiger, je mehr Akteure mitmachen (Synergieeffekt).

Deshalb haben wir am den Antrag „Open-Source-Strategie des Landes effektiv aufgreifen – Städtepartnerschaften synergetisch nutzen“ [3] in die Ratsversammlung eingebracht. Dieser sieht vor, dass der Oberbürgermeister Gespräche mit der Landesregierung sowie unseren Partnerstädten aufnimmt, um gemeinsam Maßnahmen für die Entwicklung einer koordinierten Open-Source-Softwarestrategie zu erarbeiten.

Obwohl der Antrag in der Ratsversammlung am 5.7.2018 mit breiter Unterstützung einstimmig beschlossen worden ist, hat die Verwaltung nun mit mehr als einem halben Jahr Verspätung eine sehr oberflächliche Geschäftliche Mitteilung [4] dazu abgeliefert. Die zentrale Forderung des Antrags – sich für eine Zusammenarbeit mit dem Land und den Partnerstädten Kiels einzusetzen – wird schlicht ignoriert. Dies kann eigentlich nur so gewertet werden, dass Oberbürgermeister Ulf Kämpfer den Antrag schlicht nicht ernst nimmt und sich gar nicht erst darum bemüht hat. Das wiederum lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass ihm digitale Unabhängigkeit und Souveränität egal sind oder er schlicht kein Verständnis für digitale Selbstbestimmung mitbringt.

Wenn der OB das Thema einfach nicht versteht, dann könnte er ja zumindest das Gespräch suchen. Einfach beim Antragsteller nachfragen, welche Ziele und Absichten dahinter stehen. Ignoranz ist jedenfalls keine Lösung.

Deutlich weiter ist da Christian Ude, ehemaliger Oberbürgermeister Münchens und Parteikollege unseres OB Kämpfer. In einem Interview mit dem Linux Magazin [5] spricht Herr Ude über die „industriefreundliche CSU, eine abtrünnige Grüne und umfallende SPD-Genossen.“

Wir sind da voll bei Herrn Ude, bedanken uns bei ihm für seinen Pioniergeist und werden weiterhin versuchen unseren OB und die Kieler Verwaltung für digitale Selbstbestimmung zu sensibilisieren.

Zitierte Quellen:

  1. Antrag des Personal- und Organisationsamtes, Beschaffung von Microsoft Produkten, https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=22488
  2. Kleine Anfrage „Probleme bei der digitalen Souveränität durch Beschaffung von Microsoft Produkten“: https://die-fraktion-kiel.de/wp-content/uploads/2020/04/2019-Antwort_kA-Probleme_bei_digitaler_Souveraenitaet.pdf
  3. Unser Antrag „Open-Source-Strategie des Landes effektiv aufgreifen – Städtepartnerschaften synergetisch nutzen“: https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=21662
  4. Geschäftliche Mitteilung der Personal- und Organisationsamtes zu unserem Antrag: https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=23672
  5. Golem.de, Interview mit Münchens ehemaligem OB Ude zu Limux: https://www.golem.de/news/von-microsoft-zu-linux-und-zurueck-es-gab-bei-limux-keine-unloesbaren-probleme-1911-144917.html

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